Reichspogromnacht: Jüdische Überlebende berichten
Zielsetzung
Im Zentrum des Bildungsmaterials steht ein Zusammenschnitt aus drei lebensgeschichtlichen Interviews aus dem Bestand der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Die drei jüdischen Überlebenden Sonni Schey (geb. Birnbaum), Walter Guttmann und Martin Schmitz erzählen ihre persönlichen Erinnerungen an die Reichspogromnacht 1938, die sie als Kinder oder junge Erwachsene erlebten. Die persönlichen Erzählungen und die ergänzenden Lebensläufe machen den Bruch oder Wendepunkt deutlich, den die Reichspogromnacht für viele deutsche Juden und Jüdinnen darstellte. Befehle, Funksprüche oder Verordnungen der nationalsozialistischen Führung ergänzen die Interviews und verdeutlichen den organisierten und geplanten Charakter der Ereignisse um den 9. November 1938.
Themen
Reichspogromnacht
NS-Ideologie
Handlungsspielräume der nicht-jüdischen deutschen Bevölkerung
NS-Propaganda
Begriffe und Tätersprache
Nationalsozialistische Befehle und Gesetze
Enthaltene Materialien
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Titelseite des Völkischen Beobachters (Wiener Ausgabe) vom 11. November 1938
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Vorbereitung
Das Abspielen des Filmzusammenschnitts im Unterricht muss vorbereitet werden. Es gibt eine Transkription des Filmes, jeweils Lebensläufe zu den Personen und ergänzende weitere Quellen, aus denen eine Auswahl getroffen werden kann. Wenn das Filmmaterial in Kleingruppen bearbeitet werden soll, sollten diese idealerweise die Möglichkeit haben, es sich jeweils in den Gruppen erneut anzusehen.
Durchführung
Wir empfehlen vor der Arbeit mit den Zeitzeug_inneninterviews, das Thema Oral History zu besprechen und Interviews als historische Quellen einzuordnen.
Es hat sich als gut erwiesen, das Videomaterial mit den Teilnehmenden gemeinsam anzuschauen und diese zunächst ihre Eindrücke schildern zu lassen und ggf. unklare Begriffe zu klären.
Im Anschluss bietet es sich an, in Kleingruppen die einzelnen Berichte der drei Zeitzeug_innen bearbeiten zu lassen. Als Hilfestellung können folgende Fragen dienen:
Wie alt waren die Person im November 1938? Wie alt (ungefähr) als das Interview geführt wurde?
Was schildern die Zeitzeug_innen in ihrem Interview?
Wen benennen die Überlebenden aus der Mehrheitsgesellschaft?
Wer sind die beteiligten Personen in den geschilderten Ereignissen? Wie verhalten sie sich? Welche Handlungsspielräume haben sie?
In dem Videozusammenschnitt werden sehr viele Themen angerissen, die mit den Teilnehmenden bearbeitet werden könnten. In der Auseinandersetzung lassen sich sicherlich nicht alle Aspekte berücksichtigen. Im Folgenden benennen wir Themen, die die Überlebenden im Interview ansprechen oder deren Thematisierung uns besonders relevant erscheint.
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Ausgehend von Martin Schmitz Bedenken, zu seiner nicht-jüdischen Bekannten nach Hause zu gehen, sollte der von ihm genutzte Begriff Rassenschande thematisiert und dekonstruiert werden. Hier muss auf die NS-Rassenideologie eingegangen und z.B. die Nürnberger Gesetze besprochen werden (beispielsweise könnte das oben verlinkte „Gesetz zum Schutz der deutschen Ehre und des deutschen Blutes“ bearbeitet werden).
Walter Guttmann berichtet von der Verhaftung und Deportation seines Vaters in das KZ Dachau, der in Folge der Haft verstirbt. Herrmann Guttmann ist einer von 10 911 in Dachau inhaftierten „Aktionsjuden“. Hiervon ausgehend ließe sich das Schicksal der Gruppe der so genannten Aktionsjuden thematisieren. Deportiert wurden diese ebenfalls in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen. Als ergänzende Quelle eignen sich hier die oben verlinkten Funksprüche und Befehle, z.B. der Befehl bzgl. der Aufnahme von jeweils 10.000 Häftlingen in Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau oder der Befehl, dass besonders wohlhabende Juden für die Verhaftung auszuwählen seien. Diskutiert werden sollte hier auch, warum diese Menschen verhaftet werden sollten.
Wie geht es weiter nach der Reichspogromnacht? Durch das Einbeziehen der Lebensläufe der Interviewten kann auf der biografisch-persönlichen Ebene nachvollzogen werden, welche Auswirkungen die Reichspogromnacht für Jüdinnen und Juden hatte (so wird Walter Guttmann zur Vollwaise und auf einen Kindertransport in die Niederlande geschickt; Familie Birnbaum flieht in die Niederlande). Eine andere Facette beleuchten zwei oben verlinkte Verordnungen zur „Wiederherstellung des Straßenbildes“ und „Ausschluss der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben.“
Anschließend könnte sich eine Recherche der
Lokalgeschichte anbieten: Was ist in Ihrem Heimatort im November 1938 geschehen? Gibt es Mahnmale? Gibt es lokale Gedenkinitiativen, die an das Geschehen am 9./10. November erinnern? Für das Land Niedersachsen existiert eine Projektwebseite der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, die zum Nachforschen aber auch Mitmachen einlädt: Zu finden sind Informationen zu vielen niedersächsischen Orten, gerne können aber auch weitere Beiträge eingereicht werden
https://pogrome1938-niedersachsen.de/.
Weiterführende Literatur und Materialien
Wolfgang Benz: Mitglieder der Häftlingsgesellschaft auf Zeit. „Die Aktionsjuden“ 1938/39. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Red.): Häftlingsgesellschaft. Dachauer Hefte 21 (2005), S. 179–196.
Wolfgang Benz: Gewalt im November 1938: Die „Reichskristallnacht“, Initial zum Holocaust. Berlin 2018.
Weiteres Bildungsmaterial
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